Rettungshunde trainieren auf dem ehemaligen Aschenbrenner-Gelände
Tiny ist gerade schwer beschäftigt. Sie läuft über einen großen Schutthaufen. Jeder Schritt muss mit Bedacht gewählt sein, denn sonst könnte sie sich verletzen. Zwischen Glasscherben, Armierungseisen und Betonteilen durchpflügt sie mit ihrer Nase die staubige Luft. Plötzlich reißt sie ihren Kopf zur Seite und beginnt freudig zu wedeln. Ja, hier muss er sein. Sie hat Witterung. Fieberhaft klettert sie am Schutthaufen entlang und ist sich plötzlich ganz sicher. Ja hier, genau hier muss der Mann verschüttet sein und sie beginnt laut zu bellen. Tiny weiß genau, sie muss nun ihre Hundeführerin auf die Person aufmerksam machen und es gelingt ihr auch. Doch noch während ihr Frauchen auf dem Weg zu ihr ist, kommt unerwartet Leben in den verschütteten Mann. Er holt eine Futterdose mit lecker riechender Wurst unter seiner Jacke hervor und Tiny wird für ihre tolle Suche und ihr lautes Bellen belohnt. Alles war nur eine Übung und Tiny freut sich riesig über ihre Bestätigung.
Tiny, ein Australien Shepherd, ist ein geprüfter Rettungshund. Seit vielen Jahren arbeiten sie und ihre Besitzerin Cordula Christoph ehrenamtlich bei der Rettungshundestaffel Bayerwald. Rund um die Uhr stehen sie bereit, um die Polizei bei Vermisstensuchen in Niederbayern und der Oberpfalz zu unterstützen. Sie durchforsten dann unwegsame Gelände, die mit Menschenketten und Hundertschaften nur schwer und äußerst zeitaufwändig abzusuchen wären. Zweimal pro Woche trainieren die beiden zudem zusätzlich mit ihren Staffelkollegen in Wäldern, Firmengeländen oder in Abbrüchen im ganzen Einsatzgebiet, so wie am vergangenen Wochenende. Die Hundeführerin aus dem Landkreis Regensburg kam extra nach Bad Kötzting, um mit ihrer Hündin die Trümmersuche in einem anspruchsvollen Gelände zu trainieren. Nach der langen Corona-Pause freute sich nicht nur die Hündin, endlich wieder arbeiten zu dürfen, sondern auch ihr Frauchen. Auf dem Abriss des ehemaligen Aschenbrenner-Geländes fanden die beiden optimale Bedingungen vor. Riesige Schutthaufen mit Betonteilen, teilabgebrochene Häuser, Baumaschinen und ein Wasserlauf machen das Gelände geradezu prädestiniert für eine Übung in der Trümmersuche.
Nach Katastrophen wie Gebäudeeinstürzen, Gasexplosionen oder Erdbeben gelten die Trümmersuchhundeteams zur Ortung verschütteter, vermisster Personen als unverzichtbares Hilfsmittel. Dem Hund ist es möglich, selbst durch meterhoch aufgeschüttete Schichten von Trümmern und Geröll menschliche Witterung zu orten und lernt in der Ausbildung, die Stelle der stärksten Witterung durch Bellen anzeigen. Der Suchhundeführer muss seinen Hund in den Trümmern auf Entfernung lenken und sehr gut lesen können. Das Vertrauen zwischen Hund und Hundeführer ist daher absolute Grundvoraussetzung. Die Ereignisse der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Zahl von Gebäudeeinstürzen (z.B. durch Gasexplosionen) oder Erdbeben im In- und Ausland zunehmend steigt. Für dieses Anforderungsprofil bildet die RHS Bayerwald, die dem Deutschen Rettungshundeverein e.V. angehört, diese speziellen Trümmersuchhundeteams aus, um im Ernstfall den zuständigen Behörden einen Ortungszug hochqualifizierter und belastbarer Einsatzkräfte jederzeit zur Verfügung stellen zu können.
Die RHS Bayerwald arbeitet seit Jahrzehnten mit ihren Hunden im Katastrophenschutz und ist bei der Ausbildung ihrer Hunde immer auf passende Suchgebiete angewiesen. Umso mehr freute es die Hundeführer, dass sowohl die Chamer Altmann Immobilien GmbH & Co. KG als auch die Metz Erdbau GmbH aus Schwandorf das Aschenbrenner-Gelände in Bad Kötzting zum Trainieren zur Verfügung stellten. Bereits im Januar, lange vor dem eigentlichen Abriss, hatte es hierzu erste Kontakte gegeben, doch auf Grund der Corona-Pandemie mussten alle Übungseinheiten verschoben werden. Auch jetzt trainieren die Hundeführer mit ihren Vierbeinern nur unter strengen Hygieneauflagen und mit Abstand in Kleingruppen. Schließlich muss die Einsatzfähigkeit der Staffel unter allen Bedingungen gewährleistet werden. Für Tiny und ihre vierbeinigen Kollegen ist dies jedoch kein Problem und selbst an die Gesichtsmasken ihrer Versteckpersonen haben sie sich schnell gewöhnt. Einen Rettungshund wirft eben so schnell nichts um!